Gestatten: Künstliche Intelligenz
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Lesezeit: 7 Minuten
Als wir vor einigen Monaten auf der Smart Country Convention in Berlin waren, sprang uns aus nahezu jeder Ecke das Thema Künstliche Intelligenz (KI) entgegen, aber auch, wie unterschiedlich der Wissensstand der Besucher*innen zu diesem Thema war.
Auch bei pretix erreichen uns immer wieder Anfragen, ob das Ticketing-System durch Künstliche Intelligenz unterstützt wird oder ob sie wenigstens implementiert werden könnte. Da allerdings das Wissen darum, was KI ist, was sie kann und wozu sie tatsächlich derzeit fähig ist, unterschiedlich tief ist, ist es höchste Zeit, sich damit auseinanderzusetzen.
Definition Intelligenz: flüchtig wie ein Gedanke
Künstliche Intelligenz beschreibt aktuell Programme, die menschliches Lernen und Denken simulieren. Der Begriff ist nicht unumstritten, da es nach wie vor an einer allgemeingültigen Definition mangelt die erklärt, was (menschliche) Intelligenz ist, und welche Kriterien erfüllt sein müssen, um jemandem eine Intelligenz zuzugestehen. Manche Definitionen von Intelligenz würden, so Manuela Lenzen in ihrem Buch "Künstliche Intelligenz. Fakten, Chancen, Risiken", zum Beispiel auch auf einen Taschenrechner zutreffen.
Andere bringen den Turing Test als Beispiel an, der eine KI von einem Menschen unterscheiden soll. Doch auch am Turing Test gibt es Kritikpunkte, einer der stärksten ist der, dass des beim Turing Test nicht um Intelligenz und denkfähige Maschinen und Programme ginge, sondern um Täuschung von Menschen.
Doch auch ohne genaue Definition von Intelligenz ist KI weiter auf dem Vormarsch.
Künstliche Intelligenz in der Gesellschaft
Künstliche Intelligenz wird schon seit Jahren in verschiedenen Branchen wie der Medizin und Katastrophenforschung eingesetzt. Doch erst durch die Popularität von ChatGPT und anderen KI-Diensten ist das Bewusstsein innerhalb der Bevölkerung gestiegen, dass es KI nicht nur gibt, sondern dass sie bereits breitflächig genutzt wird. Die Resonanz ist unterschiedlich. Eine Umfrage des Meinungsmonitors Künstliche Intelligenz über die Akzeptanz von KI in verschiedenen Bereichen der Gesellschaft, zeigt, in welchen Bereichen KI akzeptiert wird, und in welchen sich die Befragten tlw. egal welchen Alters oder Geschlechts strikt dagegen ausspricht. So ist KI in Bereichen wie der industriellen Produktion und im privaten Alltag durchaus akzeptiert. Der Einsatz von KI bei Gericht (65,9 %) sowie bei politischen Entscheidungen (68 %) wird jedoch deutlich abgelehnt.
Insgesamt ist laut Pero Došenović von der Denkfabrik Digitale Arbeitsgesellschaftin der Bevölkerung eher wenig Skepsis gegenüber Ki vorhanden. Das sei nicht schlimm, solange man nicht sorglos mit KI umgehe und es nicht verpasse, sich weiterzubilden.
Für uns ist vor allem der Einsatz Künstlicher Intelligenz in der Veranstaltungsbranche interessant. Wo wird sie bereits genutzt, welche Möglichkeiten gibt es, und wie wird sich dieser Trend weiter entwickeln?
Künstliche Intelligenz bei Events
Bei Events selbst wird KI bisher eher sporadisch genutzt, auch wenn es für die Zukunft viele Einsatzmöglichkeiten gibt. Bisher profitieren vor allem die Bereiche Marketing, Planung und Evaluierung sowie der Kundensupport von Künstlicher Intelligenz.
Der Standard
Vor einem Event kann KI bei Budgetierung, Erstellung von Veranstaltungsplänen oder der Struktur eines Events helfen.
Chatbots sind inzwischen Gang und gäbe. Sie entlasten den Kundensupport, indem sie häufig gestellte Fragen beantworten. Gleichzeitig wird für Kund*innen ein 24/7 Support garantiert, der das Wichtigste abdeckt.
Nach einem Event interessieren sich Eventmanager brennend dafür, wie es den Teilnehmenden gefallen hat. KI-Programme können inzwischen Teilnehmerfeedback auswerten und Empfehlungen für künftige Events geben.
KI im (Event-)Marketing
Bisher wird Künstliche Intelligenz vor allem beim Marketing eingesetzt, meistens bei der Zielgruppenanalyse und der Contentplanung auf Social Media. Hier kommt vor allem analytische KI zum Einsatz, die große Datenmengen auswertet und Lösungsvorschläge auf die Fragen bietet, welche Veranstaltung von welchen Personen wann am besten wahrgenommen, gebucht und besucht werden, und zu welchen Zeiten Content am besten gepostet werden sollte.
Auch bei der Erstellung von Texten, bspw. für Werbemails, Veranstaltungstexte und Social Media, kommt KI zum Einsatz. Generative KI wird inzwischen immer häufiger auch für die Erstellung von Grafiken und Videos genutzt. Bekannt wurde u.a. ein Werbespot von Maybelline New York, in dem U-Bahnen und Bussen die Wimpern geschminkt wurden. In einigen Branchen führt diese Nutzung Künstlicher Intelligenz bereits zu Kritik, fürchtet man doch, dass Grafiker*innen nun nicht nur mit Dumping-Preisen kämpfen müssen, sondern auch noch mit KI konkurrieren.
Bei pretix verzichten wir übrigens auf generative KI. Alle Bilder und Videos werden von uns erstellt, ggf. mithilfe von Stockphotos. Wir sind der Meinung, dass generative KI unglaublich spannend ist, aber am Ende des Tages nicht die Kreativität eines Menschen ersetzen kann. Mal abgesehen davon, dass es dem Marketing Team einfach Spaß macht, Pixel hin und her zu schubsen.
Der Trend geht zur Personalisierung
Folgendes Szenario: eine große Fachmesse, die über mehrere Tage läuft. Es gibt jede Menge Vorträge, Keynotes, Diskussionsrunden, Ausstellende Firmen… kurz: das Angebot ist überwältigend. Hier den Überblick zu behalten ist schwierig, selbst mit einer Filterfunktion in der Suche. Hier kann Künstliche Intelligenz mithilfe ein paar Eckpunkten, z.B. welche Gebiete einen im Rahmen der Messe besonders interessieren oder zu welchen Uhrzeiten auf der Messe ist und Zeit hat, einen individuellen Plan zusammenstellen. In diesem sind nicht nur interessante Vorträge und Panels übersichtlich gelistet, die KI kann auch Aussteller für Networking vorschlagen, die zum Interessengebiet oder zur eigenen Firma passen.
In einem Artikel von Event Partner wurde vorgeschlagen, in den Badges der Besuchenden Beacons zu integrieren und mit Hilfe von Ki Bewegungs- und Interessenprofile zu erstellen. So wüssten „Sales-Mitarbeiter an einem Messestand (...), welche Interessen der Besucher hat, der vor ihnen steht“. Wie DSGVO-konform das ist, ist fraglich. In dem Moment, wo jemand mit einem Badge mit dem eigenen Namen an einen Stand kommt und die Mitarbeitenden dort ein algoritmisch erstelltes Profil vorgestellt bekommen, sind die Daten verknüpfbar – und würden so gegen die DSGVO verstoßen. Bisher sind die derzeit vorhandenen Daten alles andere als Big Data, und die brauchen KI Systeme, um ihre Analysen, Lösungsvorschläge und Ergebnisse zu erbringen.
KI zur Verbesserung von Eventsicherheit
Künstliche Intelligenz kann auf verschiedene Weisen eingesetzt werden, um die Sicherheit eines Events zu verbessern. Wer schon mal auf einer großen Messe, bspw. der Leipziger Buchmesse, war, weiß, wie groß die Menschenmengen sein und in welchen Wellenbewegungen sie auftreten können. KI kann hier helfen, Hallen zu entlasten, indem sie Videoüberwachung und andere Aufzeichnungen in Echtzeit auswertet und Vorschläge macht, wie große Aufkommen reguliert werden können, bspw. durch eine Zutrittsbeschränkung oder eine Umlenkung der Besucherströme. Wichtig bei der Auswertung der Videoüberwachung ist, dass nicht die biometrischen Daten, sprich die Gesichtserkennung, angewandt werden. Das würde gegen den AI Act (siehe unten)verstoßen.
Beim Gebrauch von Künstlicher Intelligenz allgemein, vor allem aber im Bereich Sicherheit müssen die Rechtsgrundlagen beachtet werden. Diese sind in Anbetracht der Popularität des Themas überraschend unbekannt, dabei hat die EU mit dem AI Act weltweit das erste Gesetz zur Regulierung von KI verabschiedet.
Rechtsgrundlagen
Alle reden über die Möglichkeiten Künstlicher Intelligenz, manche über die Risiken, die wenigsten sprechen die rechtlichen Aspekte an. Manche sind sogar der Meinung, dass es noch keine Gesetzesgrundlage gebe. Bisher wurde alles, was KI betraf, von bestehenden Rechten geregelt, bspw. die Verwendung von Daten echter Personen durch die DSGVO und das deutsche Datenschutzgesetz. Diese Handhabe konnte jedoch bei weitem nicht alles abdecken.
„Um das Vertrauen in die Technologie zu stärken, braucht es klare Regeln“, wird auf der Seite der Bundesregierung zum AI Act erklärt. Es spricht unter anderem die Verwendung von Künstlicher Intelligenz in Verbindung mit biometrischen Daten an, führt eine Kennzeichnungspflicht ein, und regelt, welche Art von KI in welchen Bereichen überhaupt eingeführt werden darf.
- Es gibt nun eine Transparenzpflicht: KI-generierte Inhalte wie Bilder und Videos müssen deutlich als KI-generiert gekennzeichnet und erkennbar sein (Art 50, 2). Das wirkt sich z.B. auf den Content auf Social Media aus
- Durch KI manipulierte Bild-, Ton- und Videoinhalte, die als Deepfake klassifiziert werden können, müssen gekennzeichnet werden (Art 50, 4)
- Verboten sind unter anderem KI-Systeme, die der Manipulation von Verhalten und Entscheidungsfindung von Menschen dienen, zur Begünstigung von Menschen durch Bewertung ihres sozialen Verhaltens (Social Scoring), die biometrische Daten auswerten, sowie KI-Systeme, die das Verhalten einzelner in Hinblick auf Straffälligkeit bewerten (Art 5)
Gerade in Zeiten, in denen global relevante Wahlkämpfe stattfinden, KI-Systeme immer realistischere Fotos und Videos generieren und Deepfakes zunehmen, ist gerade die Transparenzpflicht relevant. Besonders vor dem Hintergrund, dass laut einer Studie von bitkom ein Drittel der Deutschen nicht weiß, was Deepfakes sind, also Medieninhalte wie Videos oder Audios, die mithilfe Künstlicher Intelligenz manipuliert wurden und Ereignisse darstellen, die nie passiert sind. Auf den bildmateriallastigen Plattformen Instagram und Tiktok sieht man nun, dass KI-generierte Inhalte auch als solche gekennzeichnet werden.
Nutzt pretix Künstliche Intelligenz?
Wir sehen derzeit davon ab, Künstliche Intelligenz in unsere Systeme zu integrieren. Das hat diverse Gründe. Die rechtlichen Grundlagen zur Nutzung von KI sind mit dem AI Act zwar geschaffen, aber es gibt noch zuviele Grauzonen, vor allem, wenn fremde KI in pretix implementiert werden soll. Zum anderen wollen wir nicht ein paar Zeilen Code schreiben und dem das Label „KI“ verpassen, nur weil es gerade en vogue ist.
Natürlich beobachten wir das Thema genau, und wenn wir den Eindruck gewinnen, KI-Add-Ons könnten eine Bereicherung oder Verbesserung des Systems darstellen, werden wir uns dem annehmen.