Gekonnt durch die Krise - Interview mit Sarah Schückel

Lesezeit: 22 Minuten
Sarah Schückel ist Beraterin, Speakerin und Social Media Managerin für Kommunikation - auch in der Krise. Sie beruhigt Shitstorms, erklärt Unternehmen, was Krisenkommunikation mit Barrierefreiheit zu tun hat und hilft, passende Content-Ideen zu entwickeln. Mit Eva aus unserem Marketing-Team spricht sie über große und kleine Katastrophen bei Veranstaltungen, was das mit Vertrauen zu tun hat und warum Vorsorge eine wichtige Investition ist, die selbst dann viel bringt, wenn sie nicht zum Einsatz kommt.
Was ist Krisenkommunikation?
Eva: Vielen Dank, Sarah, dass du dir heute Zeit für uns nimmst. Krisen kennen wir alle, manchmal privat, manchmal beruflich, manchmal alles auf einmal, denn eine Krise kommt selten allein. Was ist eigentlich Krisenkommunikation?
Sarah: Ich kann jetzt das Wort auseinandernehmen und sagen, Krisenkommunikation ist Kommunikation in einer Krise. Das wäre die sehr verkürzte und auch wenig hilfreiche Variante. Am besten schauen wir uns die Einzelteile davon an. Was ist eine Krise? Eine Krise ist immer irgendwie etwas tief Eingreifendes. Wenn ich jetzt an Unternehmen denke, an Veranstaltungen, dann ist eine Krise immer etwas Unvorhergesehenes. Die wenigsten wissen, wann welche Krise eintreten wird. Dabei geht nicht nur um finanzielle Ausfälle, personelle Veränderungen oder dass Produkte nicht mehr gekauft werden. Es geht immer auch ganz essentiell um das Image. An dem Punkt setzt die Kommunikation an.
Krisenkommunikation versucht, so viel Vertrauen bei allen Betroffenen aufrecht zu erhalten, wie möglich ist, und den Schaden so gut es geht abzuwenden. Vom jeweiligen Unternehmen, der Organisation oder auch der Einzelperson. Das gelingt praktisch nie zu 100 Prozent, es bleibt immer irgendwo ein gewisser Schaden zurück. Veranstaltende können aber gleichzeitig durch eine sehr gute Krisenkommunikation dazu beitragen, dass sie dabei langfristig sogar an Vertrauen gewinnen. Die Krise kommt, muss bewältigt werden und im Idealfall wächst das Unternehmen daran.
Eva: 'Krise' ist etwas Schlimmes. Wenn es kriselt, dann zerbricht ja etwas. Ich habe etwas Zerbröckelndes vor mir. Aber Krise bedeutet ja auch Veränderung, Entwicklung. Es ist oft so, dass aus einer Krise etwas entsteht. Das Wichtige ist dann, dass etwas Positives entsteht, dass die Erfahrung dafür sorgt, etwas zu verbessern.
Sarah: Das zu sehen ist allerdings schwierig, wenn ich mitten in dieser Krise bin. Wenn plötzlich irgendetwas anfängt zu zerbröckeln und der Puls hochgeht, gleich denken zu müssen, das ist jetzt eine Chance.
Ich sage immer, ihr dürft auch die ersten fünf Minuten sagen: "Verdammter Mist, warum ich? Warum jetzt? Warum das?" Danach kann ich aktiv in die Problemlösung gehen und erst hinterher, wenn die akute Krise bewältigt ist, versuchen, die Learnings rauszuziehen. Das ist etwas, was danach kommt, was für die nächste Krise mitgenommen wird.
Planung ist alles!
Eva: Krisenkommunikation setzt ja viel früher an, als erst, wenn es kracht. Das gehört bereits in meine Planung. Was mache ich, wenn dies oder jenes passiert? Ich brauche einen Plan, den ich aus der Schublade ziehen kann, wenn eine Krise eintritt, damit jede*r weiß, was jetzt wo zu tun ist.
Sarah: Genau. Krisenkommunikation geht schon bei der Planung los. Was habe ich hier für eine Veranstaltung, welche Beteiligten sind dabei und was kann schiefgehen. Wenn ich ein Publikum habe, das zu einer Veranstaltung hin pilgert und ganz bestimmte Erwartungen an diese Veranstaltung hat, und dann die Realität davon extrem abweicht, dann ist dieses Erwartungsgefälle sehr hoch und dadurch entsteht das Krisenpotenzial. Dann wird im Zweifelsfall auf Social Media Frust losgelassen, wir haben online die Krise und die schwappt dann offline rüber oder andersrum. Deswegen ist es ganz wichtig, schon in der Planung mit den Informationen für die Teilnehmenden die Erwartungshaltung zu lenken.
Eva: Ich finde generell, dass Transparenz da ein ganz wichtiger Faktor ist. Wir kennen das aus dem Bereich Ticketing, wenn es um Rabatte geht oder um Fragen wie "Wann gibt es das Early Bird Ticket? Wann wird das normale Ticket angeboten?" Und so weiter.
Sarah: Genau das. Der ganze Prozess vom Informieren über eine Veranstaltung, übers Buchen bis hin zur Nachbereitung und der Nachkommunikation über die Veranstaltung, überall sollten Veranstaltende die Krisenkommunikation mitdenken und die Erwartungshaltung, die geweckt wird.
Eva: Jetzt gibt es verschiedene Ebenen, du hast eben schon von Social Media gesprochen. Wir leben in einer hybriden Welt, insofern ist es unvermeidlich, dass Menschen im digitalen Raum auch über meine Veranstaltung sprechen. Ich erlebe es oft, dass entweder digital nur am Anfang zur Werbung über eine Veranstaltung geredet wird und vielleicht einmal noch am Schluss, aber während des Events sehr wenig, am ehesten bei Veranstaltungen, die auch selber digital stattfinden. Da kommt es schnell zu einem Informationsgefälle zwischen Teilnehmenden.
Sarah: Das deckt sich mit meinen Erfahrungen. Ich sehe sehr häufig in der Beratung, dass viele rein analog denken, wenn es sich um eine Veranstaltung vor Ort handelt, oder aber es handelt sich um Online-Events, da wird nur online gedacht. Dass manches aber vielleicht auch hybrid ablaufen könnte, bleibt auf der Strecke. Womit ich da gute Erfahrungen gemacht habe, ist, wenn von Anfang an kommuniziert wird "Das ist unser Veranstaltungskanal, hier findet ihr auch während der Veranstaltung aktuelle Informationen", wenn beispielsweise bestimmte Gänge gesperrt werden müssen, weil es zu voll wird, oder wenn irgendwo Toiletten ausfallen. Ein Live-Ticker quasi und ein Team, das sowohl vor Ort ist als auch online. Diese Information kann direkt mit dem Ticketkauf vermittelt werden. Das ist eine Frage des aktiven Community-Managements. Diese Verzahnung von Online und Offline ist ganz wichtig und sorgt dafür, dass Veranstaltungen noch erfolgreicher werden. Ein einfaches Beispiel sind große Bildschirme vor Ort, wo dieser Live Ticker direkt ausgespielt wird und im Fall von zusammenbrechenden Netzen als aktuelle Info-Tafel genutzt werden kann.
Eva: Eine fast schon klassische Krise heute. Viele Menschen versuchen gleichzeitig auf mein Netzwerk zuzugreifen. Für unsere Hardware empfehlen wir deswegen immer ein eigenes Netzwerk, damit das Einchecken und Ausdrucken von Badges vor Ort ohne Probleme funktioniert.
Sarah: Genau. Da hilft es, wenn im Messekontext Ausstellende auch ein separates Netz haben und alle, die den Nicht-Besucher Anteil der Veranstaltung einnehmen, von dieser potenziellen Überlastung geschützt sind und ihre Arbeit machen können.
Krisenkommunikation ist Teamwork
Eva: Absolut. Du hast eben aber auch noch einen ganz anderen Punkt angesprochen, das Wort 'Team' ist gefallen. Ich erlebe es oft, dass bei Veranstaltungen jeder Größe niemand da ist, der für Kommunikation und für Krisenkommunikation im Kleinen oder im Großen da ist, sondern erst, wenn Events mitten in einer richtig großen Krise stecken. Krisenmanagement ist aber keine Sache, die eine Person alleine leisten kann
Sarah: Bei vielen ist das tatsächlich die reine Wahrscheinlichkeitsrechnung. Das klingt jetzt völlig abstrakt, aber wir Menschen wollen keine Katastrophen erleben und denken uns: "Ja, das ist alles eher unwahrscheinlich", weil wir unsere eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen manchmal ein bisschen überschätzen. Ich kriege das häufig mit, wenn es darum geht, dass ich in der Beratung potenzielle Krisen aufzeigen soll. Dann lasse ich mein Katastrophengehirn einfach mal einen Augenblick laufen und erzähle, was es so für Krisenmöglichkeiten gibt. Einige davon habe ich schon erlebt, manche sind einfach nur theoretische Konstrukte. Es gibt ja auch so viele Komponenten, auf die ich keinerlei Einfluss habe. Regelmäßig höre ich aber: "Ja, nee, also das wird schon nicht passieren." Wenn ich aber diese eine Person habe, die im Krisenfall die Fäden in der Hand hält, kann diese Person zumindest andere anleiten. Das wäre für mich der Idealfall. Die zweite Option ist, dass dieser Person im Krisenfall die Verantwortung übertragen wird, sie aus den sonstigen Aufgaben sofort in den Krisenmodus wechselt und einen Plan hat, wie sie andere koordiniert. Die müssen dann nicht mehr selber nachdenken, was sie zu tun haben.
Eva: Beim Denken an Krisen geht es ja auch darum, zu unterscheiden, worauf ich einen Einfluss habe und worauf nicht. Auf den Standort habe ich einen Einfluss, aufs Wetter nicht. Krisen können an anderer Stelle passieren und mich tangieren. Es kann sein, dass meine Veranstaltung selbst kein Problem hat. Es ist alles super geplant, alle sind happy, alles funktioniert, aber zwei Häuser weiter brennt es. Dann muss ich trotzdem sagen können: "Okay, Leute, tut mir leid, jetzt muss irgendwas passieren." Dabei geht eben nicht nur um große Krisen, es gibt ja auch Kleinigkeiten, mit denen ich Krisen vorbeugen kann. Einen Ruheraum, wo Menschen, denen es zu viel ist, sich vielleicht kurz rausnehmen können. Oder beim Catering auch wirklich Essen, dass alle Teilnehmende essen können. Das kann ich beim Ticketkauf abfragen, ich kann das bestellen und darauf achten, dass es wirklich akribisch beschriftet ist. Sonst steht das da und jeder sagt: "Gut, ich weiß nicht, was da drin ist, und was ich davon jetzt essen kann", und die Leute gehen hungrig heim.
Latente und akute Krisen
Sarah: Bei Krisenkommunikation können zwei Bereiche gut unterschieden werden. Wir haben auf der einen Seite die akuten Krisen, und wir haben auf der anderen Seite die latenten Krisen. Latente Krisen sind in gewisser Weise bequem und unbequem zugleich. Unbequem deshalb, weil ich permanent im Hab-Acht-Modus bin, ob da irgendwas passiert oder nicht. Wenn sich Akteure irgendwie politisch sehr kontrovers geäußert haben, dann rechne ich jedes Mal mit kritischen Äußerungen, wenn ich darüber berichte und das auf Social Media teile. Das ist unbequem, aber ich weiß ja, was ich da mir quasi ins Haus geholt habe. Insofern ist es aber auch bequemer, ich bin sozusagen in der Routine dieser Krisenkommunikation drin. Bei akuten Krisen ist es schwieriger. Akute Krisen treten vergleichsweise plötzlich ein. Da ist zum Beispiel die Carola-Brücke hier in Dresden zusammengebrochen. Wie ist das jetzt mit dem Arbeitsweg? Schwierig. Oder aber bei den Abräumarbeiten der Carola-Brücke wird eine Weltkriegsbombe gefunden. Auch da wieder: schwierig. Und am nächsten Tag - ein weiterer Bombenfund - beginnt das ganze Spielchen nochmal. Da kann man dann sehen, es wechselt von einer akuten Krise - Weltkriegsbombe gefunden - zu einer latenten Krise. Es wurde eben diese zweite Weltkriegsbombe gefunden. Auch eine akute Krise: Die moderierende Person, auf die ich mich gefreut habe, die beworben wurde, ist akut krank. Sie hat keine Stimme mehr. Auf der anderen Seite gibt es den latenten Teil: Wir haben jetzt sowieso Erkältungszeit, wir rechnen damit, dass wir einen Plan B brauchen.
Wo wissen wir schon, dass mal was schiefgelaufen ist? Und wo wissen wir, wie wir es gelöst haben? Damit kann die Krise einfangen werden. Krisenkommunikation ist nichts, was permanent Panik machen soll, sondern es soll im Worst-Case-Szenario eingesetzt werden und Veranstaltende rausholen aus dem Mist, in den sie gerade reingefallen sind. Im Idealfall ist es etwas, in das ich investiere, ohne es zu brauchen. So ein bisschen wie die Feuerwehr. Niemand möchte, dass es fackelt, aber es ist gut, die Feuerwehr um die Ecke zu wissen.
Eva: Krisenkommunikation ist also überwiegend Planung, was ich machen kann, wenn etwas passiert. Was mache ich denn aber, wenn etwas passiert?
Kommunizieren!
Sarah: Erstmal? Schreien, heulen, alles erlaubt. Aber dann: Tief durchatmen und dann mit dem Plan loslegen. Krisenkommunikation muss zeitnah, wahrheitsgetreu, transparent erfolgen, möglichst verständlich und barrierefrei sein. Sie sollte alle Kommunikationswege nehmen, um die wichtigsten Informationen zu bündeln und immer aktuell den jeweiligen Zielgruppen bereit zu stellen.
Eva: Für Social-Media-Kanäle finde ich es noch wichtig, nicht nur einen Kanal zu nutzen, denn die sind nicht für alle Leute zugänglich. Wenn ich keinen Account habe, sehe ich diese Infos nicht. Das ist wie der Klassiker von Krisenkommunikation, dem Feueralarm, der losgeht. Wenn du nichts hörst, hörst du auch den Feueralarm nicht. Wenn du gehörlos bist, stehst du da und denkst: "Wo rennen denn alle Leute hin", und weißt nicht, was los ist. Es ist ganz wichtig, mehrere Zugänge zu bedenken und Ansprechpersonen zu haben. Ich finde das im Social-Media-Bereich für Veranstaltungen, auch ohne Krise, super wichtig. Wenn Leute positiv über meine Veranstaltung schreiben, ist das mega; Wenn irgendjemand aus meinem Team sagt: "Oh, danke, voll toll!", das vielleicht nochmal teilt oder nur ein Herzchen dran setzt. Das ist etwas sehr Positives und die Leute wissen, da ist jemand.
Sarah: Deswegen kann ich Community-Management und Krisen-Management eigentlich kaum voneinander trennen. Erstens ist ein gutes, aktives Community-Management immer auch Krisenprävention. Wenn irgendwie ein Shitstorm zu laufen droht, gibt es eine Community, die auf der eigenen Seite steht. Sie ist die erste Reihe der Verteidigung. Zweitens gehört zum Community-Management, positives Feedback zu teilen und genauso kritisches Feedback einzuholen. Gehe ich dann auf die Fragen und Rückmeldungen ein, sehen die Leute gleich, da ist jemand. Dann schreiben sie vielleicht sogar zuerst den Veranstalter an, sodass Krisenprävention betrieben werden kann. Es kommt die Nachricht, dass die Toiletten nicht funktionieren, dann antworte ich: "Da und dort gibt es auch noch welche. Guckt mal, ob da alles in Ordnung ist, wir kümmern uns." Und im Hintergrund läuft das Krisenmanagement an. Dann ist es keine Krise, die so richtig ausbricht, sondern es war mal kurz so ein kleines "Kries-chen".
Eva: Es hilft mega, wenn Menschen wissen, sie werden gehört, es ist jemand da, der sich kümmert, der ihnen hilft. Jemand, der diese kleinen Krisen schon sieht und nicht erst plötzlich rauskommt, wenn schon irgendwas brennt. Dann entsteht auch die emotionale Verbindung zu der Veranstaltung, egal ob das ein Festival oder eine Business-Veranstaltung, eine Messe oder ein Konzert ist.
Sarah: Das ist der Knackpunkt von Krisenkommunikation und von Kommunikation allgemein. Es geht ja immer darum, eine Verbindung aufzubauen. Dann ist eine Krise auch viel leichter abzufangen. Je besser die Kommunikation im Vorfeld ist, desto leichter wird die Krisenkommunikation und desto geringer wird der Schaden im Krisenfall.
Und nach der Krise?
Eva: Wir haben jetzt ganz viel von vor der Krise und während der Krise geredet. Was muss passieren, damit nach der Krise in der Evaluierung gesagt werden kann: "Das haben wir richtig gemacht. Was hätten wir besser machen können? Was müssen wir für das nächste Mal unbedingt umsetzen?" Sei es, dass wir eine Notfalltoilette brauchen, die wir aufschließen können; dass wir jemanden anrufen können, der uns einen Laster mit Wasserflaschen bringt, weil es so heiß ist; dass jemand vom Catering da ist, der Fragen zu Inhaltsstoffen beantworten kann. Es braucht eine Ansprechperson, die klar erkennbar ist, mit extra Lanyard oder Hut oder Warnweste. Als teilnehmende Person brauche ich direkte Kontaktinformationen, ich muss online wie vor Ort wissen, das ist die Stelle, zu der ich muss, an der ich mich orientieren kann. Das ist super wichtig, damit auch in diesen kleinen "Kries-chen", wie du es genannt hast, die Leute Hilfe bekommen und nicht erst, wenn es explodiert.
Sarah: Genau. Das fängt auch wieder vorne an in der Krisenkommunikation, in der Planung. Dass von Anfang an klar ist, unsere Ansprechperson hat irgendeinen Hut auf, ein deutliches Erkennungszeichen. Ein neurodivergenter Mensch beispielsweise, kurz vorm Meltdown, kann nicht mehr viel kommunizieren, nicht mehr viel nachfragen. Der muss wissen: "Da kann ich hingehen, da wird mir geholfen." Vor allem beginnt die nächste Planung im Nachgang. Da fehlt mir ein bisschen der Mut von vielen Veranstaltenden, dass sie offensiv in die Feedback-Runde gehen. Nicht nur eine Mail oder ein Posting "Danke für die tolle Veranstaltung", sondern aktiv Feedback einfordern. Ich habe gerade eine tolle Umfrage von einem Künstler mitgemacht. Der wollte einfach generell wissen, wie man seine Veranstaltungen findet und was noch an Kommunikationswegen verbessert werden kann. Da stand explizit drin: "Wenn ihr das hier mitmacht und ihr hier eure E-Mail-Adresse und eure Telefonnummer angebt, dann kann es sein, dass wir euch kontaktieren, weil wir noch zusätzliche Fragen haben. Seid ihr dazu bereit?" Das ist etwas Schönes, weil sich die Zielgruppe sehr wertgeschätzt und gesehen fühlt. Meistens wird Krisenkommunikation tatsächlich sehr stiefmütterlich behandelt und wird erst mitgedacht, wenn es kracht. Das sind vertane Chancen aus meiner Sicht.
Eva: Ich glaube, da fehlt generell dieser Mut zur Menschlichkeit. Und Menschlichkeit ist immer ein bisschen unperfekt. Manchmal geht es dabei sicher auch um die Frage der Umsetzbarkeit und Erwartungshaltungen. Da braucht es auch Mut, ein, zwei Sachen auszuprobieren. Oft wird bei Themen Krisenmanagement, Nachhaltigkeit oder Barrierefreiheit immer der Geldfaktor mitgedacht. Ich würde aber behaupten, dass wenn es richtig gemacht ist, es nicht wesentlich teurer oder überhaupt teurer sein muss. Hybride Veranstaltungen können Teilhabe ermöglichen für Menschen, die ich sonst nicht erreiche, ich kann Sponsor*innen zusätzlich präsentieren und so Mehrwert zu meiner Veranstaltung zu bringen. Genauso ist eine Person fürs Krisenmanagement, die vor Ort organisiert und dem Caterer sagt, wo er sich hinstellen soll, drauf achtet, dass die Speisen beschriftet sind und eben auch einen Plan B oder C hat, ein Mehrwert. Die weiß, was gemacht werden kann, wenn die Moderation ausfällt, wenn Speaker im Zug festsitzen. Das ist etwas, was in der Planung mit einem überschaubaren Aufwand gemacht werden kann und zu sehr vielen positiven Effekten führt. Denn selbst wenn etwas schief läuft, nehmen Teilnehmende eine gute Erfahrung mit, dass sich wirklich um Sie gekümmert wurde. Wenn dann auch noch positiv über das Erlebte berichtet wird, dann steigt meine Reichweite.
Sarah: Es ist so ein bisschen wie mit dem Zahnarzt. Ich gehe nicht gern zum Zahnarzt, aber ich gehe einmal im Jahr hin, um alles checken zu lassen und zu hören: "Alles super, wir sehen uns nächstes Jahr", weil ich Angst vor dem habe, was passiert, wenn dann wirklich was ist. Und je länger jemand wartet und nicht zum Zahnarzt geht, desto eher kann das passieren. So ist es mit Krisenkommunikation. Wenn ich in die Prävention investiere, ist das im besten Fall ein Posten auf meiner Rechnung, ohne, dass etwas passiert. Aber was, wenn ich das nicht habe? Dann habe ich irgendwann eine Wurzelbehandlung. Ich glaube, eine Wurzelbehandlung möchte niemand. Und in der akuten Krise Hilfe zu brauchen, ohne Vorsorge, ist immer teurer.
Eva: Ein sehr schönes Beispiel ist, wenn Veranstaltenden am Tag ihrer Veranstaltung ihre Hardware auspacken und dann feststellen, dass irgendetwas fehlt. Dann braucht es nicht nur das fehlende Teil, sondern Expressversand oder Direktkuriere. Das wird dann sehr schnell richtig teuer.
Externe und interne Krisenkommunikation
Sarah: Es wird nicht nur finanziell schmerzhaft und für die jeweilige Veranstaltung, sondern wir reden ja auch in Zeiten des Fachkräftemangels davon, dass diejenigen, die das vor Ort regelmäßig ausbaden müssen, sich im Zweifelsfall irgendwann einen anderen Arbeitgeber suchen. Diese psychische Belastung, die durch Krisen entstehen kann, wird massiv unterschätzt.
Eva: Absolut. Wir haben viel über externe Krisenkommunikation und Krisenmanagement geredet, aber das Interne muss auch funktionieren. Die Leute im Community-Management brauchen die Freigabe, Dinge zu schreiben, ohne dass es in der Krise noch von drei Stationen abgesegnet werden muss, damit sie schnell Leuten helfen und Entscheidungen treffen können. Vor allem darf, wenn eine Krise passiert, nicht am Schluss von oben eine Schuldfrage kommen. Da muss Verantwortung übernommen werden von den Personen, die Entscheidungen getroffen oder abgesegnet haben. Die interne Krisenkommunikation also muss auch laufen, damit das Team ineinander greifen kann. Diese Transparenz, zu sagen "Sorry, mein Fehler" und dann kann gemeinsam den Karren aus dem Dreck zu ziehen.
Sarah: Richtig und auch da kommst du letztlich wieder auf einen ganz wichtigen Punkt zurück, nämlich Vertrauen. Vertraut mir mein Arbeitgeber, dass ich das, was ich kann und mache, gut mache? In dem Moment, wo ich das unbedingte Vertrauen in meine Fähigkeiten und Entscheidungen habe, läuft es. Die Krise ist dann immer noch eine Herausforderung, aber eine überwindbare. Das ist eine Fehlerkultur, die etabliert werden muss. Wenn ein Fehler passiert, zu fragen: "Wie ist er passiert und wie können wir dafür sorgen, dass er sich nicht wiederholt?" Das ist eine sehr gute Möglichkeit, jede Krise zu bewältigen.
Eva: Ich möchte da nur ergänzen, dass ich als Arbeitgeber*in auch eine Kultur etablieren muss, in der die Mitarbeitenden mir vertrauen. Eine, in der sie wissen: "Ich darf sagen, ich habe einen Fehler gemacht." Aber auch zu wissen: "Wir sind ein Team. Wir schaffen das gemeinsam."
Sarah: Es läuft letztlich immer wieder auf Vertrauen hinaus. Je mehr Vertrauen im Unternehmen herrscht, im Team und zwischen Abteilungen, desto besser ist die Kommunikation nach außen und desto besser ist die Bindung der Community an das Unternehmen.